Sonntagslaune,die


Wacht man an Sonn- und Feiertagen in freudiger Erwartung
seligen Nichtstuns auf und stellt dann erstens fest: ich habe Kinder und zweitens: sie stehen um 7 Uhr morgens auf, stellt sich ein resignierender, meist eher muffliger Zustand ein, auch bekannt als Sonntagslaune. 20 % dieser Tage werden mit maulen, jammern und daraus resultierenden Streitsituationen verbracht. Die übrigen 80% Prozent werden wacker dazu genutzt, nicht die schönen Dinge zu verpassen die sind, weil man die schönen, die waren nicht mehr haben kann. Kurz auch: Willkommen in der Realität!





Montag, 21. Dezember 2015

Nur Student

Manchmal bin ich hier echt im falschen Film. Gestern kommt mein Mann heim und meint der große dürfte in der Woche vor Weihnachten die Kita nicht besuchen, weil ich nur Student bin. Den bauchwehgeplagten Säugling auf den anderen Arm balancierend, um den Großen daran hindern zu können, die Zimmerpflanze zu essen, ließ ich mir den Satz noch einmal wiederholen. Auch beim zweiten Mal wollte mir der Sinn der Aussage nicht einleuchten. Mein Mann erläuterte mir also ergänzend, dass in dieser Zeit wohl nicht alle Erzieher anwesend seien und nur Kinder kämen, bei den beide Eltern berufstätig sind. Es sei ja schließlich Weihnachten. Eine solche Nachricht am Freitag vor der Woche vor Weihnachten zu bekommen, ist für Familien wie unsere durchaus kritisch. Meine Dozenten interessiert es nämlich überhaupt nicht, dass wir bald Weihnachten haben. Es muss also ein Plan her und in Ermangelung anderer Möglichkeiten verbringt mein Sohn nun spontan die Vorweihnachtszeit 140 km entfernt bei der Oma, die eigentlich Umzugskartons auspacken müsste, aber für ihren Enkel eben stattdessen ein vollwertiges Weihnachtsprogramm einschiebt. Genauso hab ich mir unser erstes Weihnachten als vollständige Familie vorgestellt: Mein Großer ist bei Oma, der Kleine ist schlecht gelaunt, wegen der Umstellung auf Flaschennahrung, ich schreibe nächtelang Mathehausarbeiten und mein Mann schiebt Überstunden, damit vor Weihnachten noch alles fertig wird…

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Vorzeigebabys

Mein Mann meinte vorhin, es sei nicht gerecht, wenn jemand als erstes Kind ein Vorzeigebaby bekäme. Das würde ein völlig falsches Bild vermitteln und führt zu einem Überschuss an gestressten Zweit- und Drittgebärenden, die keine Ahnung hatten, was auf sie zukommen könnte. Ausgangspunkt für dieses Gespräch waren die Berichte einer Freundin zu ihren grade mal zweimonatigen Erfahrungen als Mutter. Da waren Sätze gefallen wie: „…schläft mindestens 6h durch… musst du nur in den Wagen legen und Ruhe… schreit nur bei Hunger oder akutem Bauchweh… schläft die meiste Zeit… macht alles anstandslos mit…“ Eltern wie uns, die in diesem Stadium der Elternschaft nur ein dauerschreiendes Bündel vor Augen hatten, machen solche Sätze aggressiv. Ich denke das ist verständlich. Und vielleicht reagiert mein Mann auch deswegen in seinem Worturteil ein wenig über. Dennoch hat er irgendwie Recht. Hätte ich meinen Sohn als Folgekind nach einem ruhigen, entwicklungskalendergerechten Baby bekommen, hätte ich wohl vollkommen überreagiert. Ich hätte ihm ein Haufen Auffälligkeiten angedichtet, wo keine sind und er hätte heute wohl täglich einen anderen Therapeutentermin. So weiß ich inzwischen aus Erfahrung, dass es sich lohnt, die nervenaufreibenden Tage abzuwarten und ihm Zeit zu geben, die Dinge so zu machen, wie er es für richtig hält. Oft schneller, manchmal langsamer und häufig völlig widersprüchlich zu jedem Entwicklungskalender.

Sonntag, 29. November 2015

Der Putzplan

Bin grad am Kühlschrank vorbeigegangen. Musste schon wieder lachen. Er hängt ja immer noch. Der Putzplan. Hier habe ich in einer hübschen Exeltabelle fein säuberlich vermerkt, was innerhalb der WG wie erledigt werden muss und in welcher Aufteilung dies am besten zu bewerkstelligen wäre. Die Idee basierte auf einem Überschuss an Schwangerschaftshormonen. Tatsächlich hat sich nie jemand nach diesem Plan gerichtet, nicht einmal ich selbst. Das hätte wahrscheinlich auch ein wesentliches Mysterium der Lebensform WG unwiederbringlich zerstört. Es ist nämlich so, das bei uns im Wesentlichen ein reguläres Chaos herrscht, dass sich trotz meiner Bemühungen nicht verdrängen lässt. Kündigt sich jedoch Besuch an (schlimmsten Falls ein Elternteil), ist die Bude innerhalb weniger Stunden blitz blank poliert. Bewährt haben sich auch Ich-müsste-eigentlich-lernen-Situationen. Jeder einzelne von uns putzt an solchen Tagen wie ein Profi. Manchmal werden dann sogar extra neue Reinigungsmittel angeschafft. Wir sind aber auch ganz gut im Inszenieren von Pseudosauberen Umgebungen. Der Klassiker: Einmal kündigt der Vermieter relativ spontan eine Wohnungsbesichtigung durch einen Nachmieter an. Im ganzen Haushalt befand sich zu diesem Zeitpunkt kein einziges sauberes Stück Geschirr. Der gesamte Schrankinhalt türmte sich in waghalsigen Konstruktionen neben dem Spülbecken. Damals hatten wir noch keine Spülmaschine. Was tut mein Mitbewohner? Schranktür auf, Geschirr rein. Zu. „Sauber“. Ich hab nicht schlecht geguckt, als ich ein paar Tage später die Schranktür öffnete und der Schimmel dort unten quasi ein Paralleluniversum gegründet hatte. Interessant war auch die weiße Spinne im Kühlschrank, die keiner vertreiben wollte, weil wir so fasziniert davon waren, dass sie dort überhaupt überlebt hat. Apropos überlebt. Wir haben das Innenleben eines vergessenen Kochtopfes auch schon so sehr gefürchtet, dass er direkt und auch nur mit Handschuhen entsorgt wurde. Bis heute weiß niemand, was in dem Topf war… Ein bisschen besorgt bin ich immer, wenn mein Mann Sprüche bringt wie: „Was meinst du denn mit Staub wischen?“- „Na halt Oberflächen abwischen.“ – „Wie jetzt? Alle????“ Zum Glück, wohnt ja auch noch mein Sohn hier. Man weiß nicht, wo er es her hat, aber seit seinem zweiten Lebensjahr fegt und entstaubt er gerne Mal, wenn er sich langweilt. Da sieht man mal, wie praktisch Kinder sein können.

Sonntag, 15. November 2015

Wer sind all die Leute?

Es wird Zeit, dass das Baby kommt. War grad eine volle Stunde unterwegs, um bei REWE eine Zeitschrift zu erwerben. Das sind nur drei Straßen zu Fuß von zu Hause aus. Wildfremde Menschen, mit denen mich nur eine ähnlich Wegstrecken zu Lidl oder zur Kita verbinden, bleiben stehen um mich in ein Gespräch über mein Wohlbefinden und die bevorstehende Geburt zu verwickeln. Sie reden, als würden wir uns ewig kennen und vertrauen mir Details aus ihrem bewegten Leben an, von denen ich beim besten Willen nichts wissen wollte. Hilfsbereit sind sie auch. Aber, ja, ich kann meine Sandwichtüte allein nach Hause tragen. Ja, ich bin warm genug angezogen. Der Einkaufskorb ist nicht schwer, nein, und ich kann auch gut zurück nach Hause laufen. Es sind ja nur noch 50 m. Nein, das können Sie nicht wissen- wir kennen uns ja gar nicht… Versteht mich nicht falsch. All diese netten kleinen Gespräche sind eine interessante Abwechslung, wenn das eigene Hirn eigentlich nur noch darauf ausgerichtet ist, dass man jeden Moment ein Kind gebären muss. Die Frage ist: Wo sind all diese Menschen, wenn man mit einem schreienden Säugling im Arm riesige Windelkisten durch die Gegend schleppt? Oder wenn einem zwei Wochen nach der Geburt der Schlüssel in den Schnee fällt und der immer noch geschädigte Ischiasnerv verhindert, dass man sich einfach nach ihm bücken kann? Ich jedenfalls gehe bis zur Geburt keinen Schritt mehr allein vor die Tür.

Freitag, 16. Oktober 2015

Püppi

Ich bin eine Jungenmama unter Mädchenmamas. Damit hab ich mich abgefunden. Das heißt, im Grunde finde ich das für mich auch ganz passend. Also Jungenmama zu sein. Totzdem wird mir wohl das Verständnis für viele Dinge des täglichen Lebens dadurch verwehrt bleiben. Zum Beispiel stelle ich mir immer häufiger die Frage: Warum nennen erwachsene, sonst sehr symphatische Frauen ihre Babys „Püppi“? Also nicht die eine oder andere, sondern (natürlich auf meinen Bekanntenkreis bezogen) sogut wie alle. Mich persönlich erinnert das an ein sehr komplexes Kindheitstrauma: Ich war 25 Jahre lang „Püppi“. Man stelle sich das vor: Du bist 16 Jahre alt, stehst nichts ahnend auf dem Schulhof und dann ruft eine Stimme: „Püppi, du hast deinen Schlüssel vergessen!“ Die Blicke der Umstehenden reichten von mitleidig bis schadenfroh, als meine Mutter hilfsbereit das Schlüsselband schwingend auf mich zu eilte. Püppi. Ich denke dabei ja an diese überdimensionalen Babypuppen mit Schlafaugen und Glatze, aber da hat sicher jeder sein eigenes Bild im Kopf. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass viele der heutigen Omas ihrer Zeit konsequent in die I-chen-Falle getappt sind- Püppi, Katzi, Tellerchen, Hemdchen, Babylein, Tässchen, Näschen, Nucki und der Gleichen kommen einem ja beim Anblick des eigenen Kindes unweigerlich wieder ins Gedächtnis. Zum Glück überwindet man diese Verniedlichungsphase irgendwann. Schwierig nur, dass man sich bis dahin den Rufnamen wahrscheinlich fest angewöhnt hat. Quasi als Relikt dieser Zeit. Meiner eigenen Mutter half erst die Geburt des Enkelsohnes, sich dieses Problems bewusst zu werden. Vielleicht haben die kleinen Püppis meiner Freunde mehr Glück. Vielleicht denken moderne Mädchenmütter ja auch etwas weniger rosarot? Obwohl: das ist ja schon wieder ein anderes Kindheitstrauma…

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Flüchtlingshilfe

Die Diskussion um ankommende Flüchtlinge ist ja nun in aller Munde und wie alle anderen habe auch ich genug Gelegenheit, mir eine klare Meinung dazu zu verschaffen. Dennoch muss ich zugeben, dass das Thema meinen Alltag kaum berühren würde, wäre ich nicht durch die fortgeschrittene Schwangerschaft einmal die Woche beim Frauenarzt. Hier sitzen dann regelmäßig leicht verwirrt dreinblickende junge Paare und lassen sich das bei uns übliche System zur Verhütung, Vorsorge und Schwangerschaft erklären. Von einem Sozialarbeiter. Im Wartezimmer. Sicherlich scheinen sie alle, soweit man das mithören kann, sehr dankbar für jede Unterstützung zu sein, aber sprechen wir hier nicht von sehr privaten Dingen? Ich würde mir wahrscheinlich eher die Zunge abbeißen, als in einem überfüllten Wartezimmer Fragen zu meinem Intimleben zu erörtern. Wie können wir erwarten, dass es diesen Menschen da anders geht? Allerdings muss ich zugeben, dass sich die Situation inzwischen etwas verbessert. Es scheint sich langsam ein System zu finden, mit der Lage umzugehen. Dennoch seh ich jede Woche mindestens einen Fall, der mich zum Nachdenken anregt. Heute z.B. saß ich neben einer Familie mit einem maximal 16-jährigen, sehr hübschen jungen Mädchen. Die kleine war schwanger und der Rest der Anwesenden ziemlich aufgeregt. (Mama, Papa, zwei weitere Frauen, eine Dolmetscherin, welcher Position auch immer). Während alle anderen angeregt diskutierten, erschien die Kleine selbst ziemlich ruhig. Ich kann nichts dafür, aber bei mir schaltet sich bei solchen Beobachtungen ein sehr vielfältiges Kopfkino ein. Was sie wohl erlebt haben? Die Szenarien, die sich mir aufdrängen reichen von der brutalen Vergewaltigung nach Trennung von Familie und Freunden, bis hin zu einer romantischen Teenagerliebe auf der großen gefährlichen Reise. Vieleicht ist sie aber auch schon verheiratet und erwartet eben entsprechend ihr erstes Kind. Ich denke, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat, werden wir uns kaum retten können, vor solchen und ähnlichen Geschichten. Ich bin sicher nicht die Einzige, die sich ehrlich für die Schicksale hinter all den Gesichtern interessiert. (Und damit mein ich nicht die derzeit häufig kursierenden Artikel zum Thema: „Siehe XY- er kam als Ziegenhirte und heute ist er der beste Architekt seines Jahrgangs.“)

Dienstag, 22. September 2015

Erzieher

Darf man das denn, den Menschen absolut nicht mögen, dem man sein Kind über 6 Stunden täglich anvertraut?  Spricht es nicht zu sehr gegen das Konzept einer gemeinsamen Vertrauensbasis? Ehrlich, ich weiß es nicht. Mir ist nicht mal klar, ob nicht mögen der richtige Ausdruck ist. Vielleicht kann man sagen, wir liegen in unserer grundsätzlichen Erfahrungswelt einfach sehr weit auseinander. Aber ich weiß, dass ich mit der Arbeit eben dieses Erziehers sehr zufrieden sein kann. Engagement und Ideenreichtum kennen keine Grenzen. Mein Kind fühlt sich wohl, macht täglich ganz unglaubliche Fortschritte und berichtet strahlend von eben der Person, deren alberne Babysprache mir schon im Flur die Haare zu Berge stehen lässt. Flüsternd erklärt sie uns und ihren kleinen Schützlingen, wann denn wo alle ganz brav sein müssen. Für Kinderohren nicht bestimmte Worte werden buchstabiert, Türen werden sacht geschlossen,  nie gebatzt und Schreien beim Spielen muss ja schon mal gar nicht sein. Sicher ist das alles nicht schädlich, aber doch manchmal etwas heikel. So wie neulich, als ich den Kurzen vorm Losfahren noch einmal rasch zum Händewaschen geschickt habe und keine Handtücher zu sehen waren. Ich meinte ganz selbstverständlich: „Wisch einfach an der Hose ab und los!“ Da ertönten hinter mir auch schon die schockierten Worte: „Aber N., seit wann machen wir denn sowas? Schau, wir haben doch Papiertücher. Das gehört sich doch nicht- Hände an der Hose abwischen…“ Mein Kind zuckte mit den Schultern, warf das ungebrauchte Papiertuch ordentlich in den Müll, meinte gelassen: „Ist doch nur Wasser!“, und ging. Mir blieb lediglich ebenfalls mit den Schultern zu zucken. Vielleicht ist das die Antwort: Nicht ich muss mich im Alltag mit seinen Erziehern arrangieren, sondern er. Dass er dabei eine eigene Meinung entwickeln und vertreten kann, hatte er ja grad gezeigt.